24. November 2018

Imkern in der Agrarwüste: Ist eine bienenfreundliche Landwirtschaft möglich?

Ein Vortrag von Walter Haefeker

Mit Walter Haefeker, Präsident des Europäischen Berufsimkerverbandes, konnte der Bienenzuchtverein Übersee einen hochkarätigen Referenten zum Thema "Bienenfreundliche Landwirtschaft" gewinnen. Sein Vortrag am 24. November im Wirtshaus d'Feldwies drehte sich vor allem um die Frage, wie Agrarpolitik und Agrarindustrie unsere Landwirtschaft prägen.

Dass vor allem im südlichen Landkreis Traunstein die Zusammenarbeit zwischen Bauern und Imkern vorankommt und man hier von vielen bekannten Problemen nicht betroffen ist, betonte der Vorsitzende des Bienenzuchtvereins, Simon Falkinger, in seinem Grußwort. Er sieht das vor allem als Verdienst der Pidinger Molkerei und ihrer Bauern, die u.a. mit ihrer Entscheidung, auf den Einsatz von Totalherbiziden zu verzichten, einen mutigen und wegweisenden Schritt getan haben: "Es ist noch nicht alles perfekt, und es geht natürlich nicht alles auf einmal, aber es geht in die richtige Richtung!"

Walter Haefeker bei seinem Vortrag

In seinem Vortrag sprach Haefeker vom Strukturwandel in der Landwirtschaft, den die Politik als Naturgesetz sieht ("Wachse oder weiche!"). Betriebe müssten sich vergrößern, um zu überleben. Anbauflächen werden zusammengelegt, Hecken und Bäume werden entfernt, um die Flächen mit großen Maschinen bearbeiten zu können. Der Einsatz von Düngemitteln und Chemie verspricht Ertragssteigerungen. Lebensräume für Insekten verschwinden, die Artenvielfalt leidet.

Haefeker legte dar, wie sich Bauern für Politik, Agrarindustrie, Großhandel und Rohstoffbörsen gläsern machen, indem sie in Förderanträgen Unmengen an Informationen über ihren Betrieb preisgeben müssen. Der Bauer wird von Förderungen abhängig gemacht, von denen er selbst aber gar nicht profitiert. Eigentlicher Nutznießer ist die Agrarindustrie, an die der Landwirt die Gelder nur weiterreicht. Als Kenner der Vorgänge in Brüssel appellierte er an die Bauern, es den Imkern gleichzutun: "Machen Sie sich unabhängig von Förderungen und geben Sie keine Daten über Ihren Betrieb preis!"

Eine Verkleinerung der Betriebe könnte laut Haefeker eine Lösung für deren Überleben sein, verbunden mit einer Umstellung der Betriebsweise. Verbraucher honorieren eine nachhaltige, bienenfreundliche Landwirtschaft. An die Bauern gerichtet, sagte er: "Bemühen Sie sich um Rückendeckung durch die Imker, sie können davon nur profitieren!"

Die nächste Revolution in der Landwirtschaft sieht Haefeker in der Digitalisierung. Mechanische Unkrautbeseitigung durch Roboter oder die Bodenanalyse per Satellit gibt es bereits und hilft Bauern bei der Einsparung von chemischen Pflanzenschutz- oder Düngemitteln. Haefeker warnte jedoch: "Alle gesammelten Daten müssen unbedingt in den Händen der Bauern bleiben. Sobald sie an Großkonzerne oder Lebensmittelspekulanten verkauft werden, hat der Bauer verloren".

Das Thema "Förderungen" sah auch Landtagsabgeordnete Gisela Sengl in einer Wortmeldung kritisch. Man müsse wegkommen von einer Förderung, die sich an der Größe der bewirtschafteten Fläche orientiert, hin zu einer Förderung, die ökologische Maßnahmen unterstützt.

Die Bemerkung eines anwesenden Landwirts, Haefeker sei ein "Bauernhasser", sorgte kurzzeitig für verwunderte Blicke unter den Gästen. Haefeker wies das entschieden zurück und verwies auf die zahlreichen von ihm initiierten, erfolgreichen Projekte zwischen Landwirten und Imkern. Überall dort, wo Landwirte und Imker miteinander reden und umsetzbare Verbesserungen erarbeiten, profitieren die Landwirte davon. Beispielhaft nannte er das Gütesiegel "Zertifiziert bienenfreundlich", das es auch für Milch gibt. Die Milchbauern verzichten u.a. auf Sojaimporte aus Südamerika und den Einsatz von bienenschädlichen Pestiziden und erhalten dafür pro Liter Milch mindestens 40 Cent netto. Auch beim Projekt "Bienenstrom" (www.bienenstrom.de) erhalten Bauern für erhöhte Anbaukosten und Ertragsminderung beim Ersatz von Maisflächen durch blühende Energiepflanzen einen finanziellen Ausgleich.

Ein weiterer Landwirt sprach das Problem an, dass eine Umstellung auf Biolandwirtschaft in unserer Region wirtschaftlich keinen Sinn macht, weil die hiesige Molkerei keine weiteren Biomilch-Lieferanten aufnehmen kann. Haefeker geht hier von einer vorübergehenden Situation aus und betonte die stetig steigende Nachfrage nach Bio-Produkten. Gleichzeitig merkte er an, dass "bienenfreundliche Landwirtschaft" nicht gleich eine Umstellung auf "bio" bedeuten müsse.

Eine weitere Frage aus dem Publikum bezog sich auf Anreize für Bauern, auf ein Doppelmessermähwerk umzusteigen, das Insekten und Amphibien ermöglicht, dem Mähwerk unbeschadet zu entkommen. Haefeker sieht Anreize unter anderem im geringeren Dieselverbrauch und den Einsatz von leichteren Traktoren. Weitere Anreize seitens der Politik, wie z.B. eine "Abwrackprämie", gäbe es allerdings nicht.

Der Leiter der Landwirtschaftsschule Traunstein, Hans Zens, pflichtete den Ausführungen Haefekers im Großen und Ganzen bei, erinnerte aber auch an die Macht der Konsumenten. Letztendlich bestimme der Käufer, was und wie die Bauern produzieren.

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